Zinsfieber muss sich legen

Carsten Brömstrup

„Never fight the Fed“ ist unter Analysten ein bekanntes Sprichwort und bedeutet so viel wie „Wette nie gegen die US-Notenbank“. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell legte letzte Woche vor dem US-Kongress nahe, dass nach einer kurzen Zinspause die Zinsen wohl weiter erhöht werden müssen. Ähnlich restriktiv äußerten sich Vertreter der EZB, insbesondere aus Deutschland. In Norwegen und Großbritannien wurden aktuell und überraschend die Zinsen um satte 0,5 Prozent erhöht. Die Rezessionsglocken bimmeln nun noch lauter. Die Zinsstrukturkurve bei Bundesanleihen ist so invers, also nicht normal, wie seit 1992 nicht mehr. Soll heißen: Am langen Ende der Zinskurve gibt es weniger Zinsen als am kurzen Ende.

Das Zinsfieber der Notenbanken verbreitet also zunehmend Sorge am Kapitalmarkt. Das reichte, um den konjunktursensiblen Dax deutlich unter 16.000 Punkte zu drücken. Die leicht resignierenden Notenbanken machen also noch vor dem Halbjahreswechsel ernst. Vielleicht auch um im späteren Verlauf des 3. Quartals pausieren und dann am Jahresende, spätestens aber im 1. Quartal 2024, wieder lockern zu können. Kerninflation und vor allem auch die Konjunktur werden sich bis dahin deutlich abgeschwächt haben. So brach die Erwartungskomponente des ifo-Geschäftsklimaindexes im Juni brachial ein. Eins ist wohl klar: Obwohl die Inflation, wenn auch langsam, zurückkommt und auch die Einkaufsmanagerindizes der Industrie bereits klar auf Rezession stehen, überdrehen die Notenbanken das Zinsrad. Das Risiko, dass die Notenbanken den zweiten großen Politikfehler innerhalb von drei Jahren machen, erscheint groß und stößt zumindest bei mir auf Unverständnis.

Auch die Entwicklungen an den Rentenmärkten spiegeln das Bild. Die etwas Älteren unter uns werden sich an die ruhige Hand der Deutsche Bundesbank gerne zurückerinnern. Fairerweise haben sich die Zeiten aber auch aller spätestens durch Corona, Krieg und Künstliche Intelligenz dramatisch verändert und die Notenbanken haben auch adressiert, dass die Bekämpfung der Inflation „Prio 1“ ist. Da die Volatilität bzw. Risikowahrnehmung an den Aktienmärkten immer noch niedrig ist (siehe Grafik), könnte sich diese zu Anfang des neuen Halbjahres noch einmal entladen und durch zittrige Hände drastisch erhöhen. Gewinnenttäuschungen wie bei Lanxess, Sartorius oder Siemens Energy gesehen, werden gnadenlos abgestraft. Auch Rebasierungen der hoch gelaufenen Tech-Werte auf ein normales Portfoliogewicht könnten kurzfristig zu Abwärtsdruck führen.
Es ist also ein Balanceakt, auf dem wir uns in den nächsten Wochen einzustellen haben. Genauere Einblicke werden wir mit der US-Quartalsberichterstattung ab 14. Juli bekommen. Dann berichten die US-Investmentbanken als Erstes. Auch wird es spannend sein, zu beobachten, inwieweit die Implementierung von „Künstlicher Intelligenz“ in die Arbeitsabläufe der Unternehmen schon jetzt zu Produktivitätsgewinnen führt. Die Fantasie dafür ist auf jeden Fall da. Aktien können bis Ende 2023 trotz allem steigen, doch das wird eine schwierige Gratwanderung und ist mit Risiken verbunden: Hierfür darf das Wirtschaftswachstum weder so stark sein, dass es die US-Notenbank Fed zu weiteren Zinserhöhungen zwingt, noch so schwach, dass Rezessionsängste aufkommen. Das ist die Hoffnung, die man als Investor hegen darf, zumal schon viele Profianleger defensiv in Aktien gewichtet sind. Die Spannbreite beim DAX sehen wir kurzfristig zwischen 15.340 und 16.000 Punkten. Zum Jahresende haben wir Mut und sagen „16.600“. Eine diversifizierte Portfoliostruktur wird uns dabei helfen, das Depotfieber zu senken.

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Newsletter vom 28. Juni 2023

Carsten Brömstrup – Chefanalyst
Oldenburgische Landesbank AG

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