Ein teures Gefühl
Anfang dieser Woche sorgte eine Studie von Allianz Research für Aufmerksamkeit: „Die gefühlte Inflationsrate habe im Mai mit 18 Prozent fast dreimal so hoch gelegen wie die offiziell ermittelte Teuerung.“ Ein Gefühl, das man im Supermarkt schnell bestätigt findet und das seit vielen Jahre beständig deutlich über der gemessenen Inflation liegt. Und die offiziellen Werte in Europa reichen im Mai von 2,8 Prozent in Griechenland bis 21,5 Prozent in Ungarn. Für Deutschland wurden 6,1 Prozent vermeldet.
Bei Aktien beschleicht selbst erfahrene Börsianer auch manchmal dieses Gefühl, dass der Kurs nicht zum gefühlten, oder auch fundamental ermittelten Wert eines Unternehmens passen will. Hier gibt es positive wie negative Beispiele. Wem die Börsenbewertung von Apple schon immer zu ambitioniert war, der steht vermutlich noch immer ungläubig an der Seitenlinie, während beteiligte Aktionäre ihren besonderen Investment-Riecher loben. Bei Tesla und anderen Tech-Wundern ist der Fall vielleicht noch nicht ganz klar. Aber zum Beispiel als vor drei Jahren die Wirecard-Pleite offiziell wurde, war plötzlich auch den letzten Optimisten klar, dass hier mehr der Wunsch (gepaart mit Unwahrheiten) als der Wert den Kurs getrieben hatte. Diese Gefahr droht eigentlich immer, denn Gefühle spielen auch gerne Streiche.
Nach den Notenbank-Entscheidungen letzte Woche, die gefühlt wie erwartet ausfielen, markierte der DAX im Freitagshandel bei 16.427,42 Punkten ein neues Rekordhoch. Das dürfte manchen wohl auch zu teuer vorkommen. Doch fühlt man sich besser, wenn es im Anschluss wieder 2 Prozent nach unten geht? Wohl nur bedingt. Gefühle werden immer von Unsicherheit begleitet, und das ist meist auch gut so.


Newsletter vom 21. Juni 2023
Thomas Strelow, Börse Düsseldorf
