Rückschritt vor Fortschritt?

„An der Börse wird die Zukunft gehandelt“, ist ein populäres Bonmot für die Beobachtung, dass sich der Finanzmarkt sich oftmals asynchron zur Realwirtschaft entwickelt. Dabei gilt, dass es oft erst schlechter wird, bevor Besserung eintritt. Eine Rezession für das Gesamtjahr 2023 in Deutschland scheint inzwischen immer wahrscheinlicher: So rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in diesem Jahr mit einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um bis zu 0,5 Prozent und diagnostiziert eine Schockstarre aufgrund besonderes starker Abhängigkeiten von den bekannten externen Problemen bei Rohstoffen, Energie und im Welthandel.

Entsprechend ist auch bei der Stimmung deutscher Unternehmen der Optimismus aus dem Frühjahr wieder verflogen: Der ifo-Geschäftsklimaindex fällt im August den vierten Monat in Folge und zwar stärker als von den Experten erwartet. Hier sorgt auch die anhaltende Teuerung in den verschiedenen Sektoren für graue Wolken. Doch an anderer Stelle klart es auf, denn das Statistische Bundesamt vermeldet erstmals seit zwei Jahren wieder leicht gestiegene Reallöhne, auch durch staatlich geförderte Programme zum Inflationsausgleich.

Wenn jetzt noch die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale ausbleibt und schrittweise wieder mehr Zuversicht (= Nachfrage) bei den Verbrauchern zurück kehrt, dürfte die wirtschaftliche Entwicklung bald davon profitieren und sich die Stimmung aufhellen. Auch die Bundesregierung scheint sich aktuell ihrer Verantwortung für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung wieder bewusst zu werden – hoffentlich nicht temporär.

Der gestern gestarteten Angriff auf die 16.000 Punkte beim DAX legt heute wohl eine Pause ein, aber insgesamt zeigen sich die Märkte mit ihrem Blick nach vorne in besserer Verfassung, als es die aktuelle Stimmung vermuten lässt. Und so soll es auch sein.

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Thomas Strelow, Börse Düsseldorf

Foto Thomas Strelow