„Entscheiden Zeit”

Carsten Brömstrup

Als wären es nicht schon genug Unsicherheitsfaktoren, ist mit der Eskalation im Nahen Osten ein weiterer hinzugekommen. Sofern sich der Konflikt regional nicht ausweitet und der Ölpreis nicht deutlich steigt, dürften sich die Auswirkungen auf Inflation und globales Wachstum jedoch in Grenzen halten, so zumindest der Marktkonsens.
 
Die US-Wirtschaft hat sich bis zuletzt ins 3. Quartal hinein besser gehalten, als erwartet: plus 4,9 Prozent im BIP-Wachstum. Das nimmt ja fast schon chinesische Dimensionen an. Aber freuen tue ich mich darüber nicht, denn die FED wird die Zinszügel daraufhin erst einmal straff halten und so spricht die superschnelle Anhebung der US-Leitzinsen auf satte 5,25 Prozent weiterhin für eine kommende, leichte Rezession. So sollten wir schon im 4. Quartal 2023 erste Anzeichen dafür sehen und in den USA nur noch um rund ein Prozent wachsen. Die hohen Zinsen drücken von nun an aufs Konsumentenbudget (Sollzinsen auf Kreditkarten- und Immobilienkredite) und Studentenkredite müssen erstmals seit Corona wieder zurückgezahlt werden. Zudem sind die üppigen Corona-Schecks (Stichwort: „Helikoptergeld“) aus den Jahren 2020 und 2021 aufgezehrt. Wir gehen somit davon aus, dass die US-Wirtschaft im Sommer 2024 leicht schrumpfen wird.
 
Auch in China ist die Wirtschaft im dritten Vierteljahr gegenüber dem zweiten Quartal mit 1,3 Prozent deutlich stärker gewachsen, als erwartet. Doch auch hier halten wir das hohe Wachstumstempo nicht für nachhaltig. Der Einbruch am Immobilienmarkt verursacht viele wirtschaftliche Probleme, die sich noch bis 2030 hinziehen können. Hinzu kommt eine schwächere globale Nachfrage. Für 2024 erwarten wir weiterhin „nur“ ein Wirtschaftswachstum von 4,0 Prozent. Der Staat wird es schon irgendwie richten.
 
Im Euroraum zeichnet sich der in der zweiten Jahreshälfte 2023 erwartete leichte Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion immer klarer ab. In den Konsensprognosen für 2024 spiegelt sich jedoch noch immer die Erwartung einer spürbaren Erholung der Konjunktur wider. Das ifo-Institut sieht für Deutschland einen „Silberstreif“ am Horizont, aber keine Trendwende. Dem mögen wir uns anschließen. Die „Wildcard“ für 2024 könnte die EZB sein. Die aktuellen Zahlen zum deutschen Bruttoinlandsprodukt (-0,1 Prozent im 3. Quartal 2023 zum Vorquartal) und zur Inflation (deutlich runter auf +3,8 Prozent im Oktober) spiegeln eindeutig wider, dass wir uns bereits in einer Rezession befinden. Die Zahlen von Mercedes, VW, Sartorius oder den Chemiewerten des DAX sprechen Bände für den industriellen Bereich.
 
Es könnte daher sein, dass die EZB die Leitzinsen schon bald im Jahr 2024 kräftig wird senken müssen, um den Konjunkturzug nicht vollends vor die Wand zu fahren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das „Higher for longer“-Mantra (= höhere Zinsen für längere Zeit) ziemlich rasch im Jahr 2024 fallen wird. Zudem zwicken die höheren Zinsen gewaltig bei den Staatsschulden. Die Staatsverschuldung in den USA und in Europa wird immer mehr zu einem großen Thema. Die US-Schuldenuhr tickt erbarmungslos: https://www.usdebtclock.org/. Am 17. November werden wir neue Budgetverhandlungen in den USA erleben. Ein „Shutdown“ ist nicht ausgeschlossen, wenngleich unwahrscheinlich. Auch das Rating der USA wankt dann wieder einmal. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass das Verschuldungsthema ein riesiges Wahlkampfthema in den USA in 2024 werden wird. Kann und will die USA dann noch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten bezahlen? Trump reibt sich schon die Hände, zumal ein Trump-Getreuer nun dem Repräsentantenhaus vorsitzt.
 
In Summe rechnen wir mit Blick auf die Notenbanken mit keinen Zinserhöhungen mehr. Zinspause heißt das Motto. Die ersten Zinssenkungen dürften u. E. im 2. Quartal 2024 erfolgen. Notieren wir uns den 03. Mai 2024 für die FED und den 06. Juni für die EZB im Kalender. Das Ende der Zinserhöhungserwartungen beginnt schon früher. Das spricht für einen Rückgang der Anleiherenditen im Verlauf des ersten Quartals 2024. Und bei rund 5 Prozent Rendite am langen Ende der US-Zinskurve kann man als US-Investor schon mal schwach werden, oder? Da wird doch nicht gar Vermögen von zittrigen Aktienhänden in vermeintlich sichere Renten umgeschichtet? Ich bin sicher, das ist schon passiert. Und es wird umso kritischer, falls Hedge Funds oder ausländische Investoren Spaß daran entwickeln sollten, die US-Rendite für 10-jährige Staatsanleihen über 5 Prozent zu treiben, um die Geduld der FED und das Rating der USA zu testen.
 
Der US-Aktienmarkt steht zudem vor einem wichtigen Test: Hält die 200-Wochen-Durchschnittslinie des S&P 500? Seit 2011 war dieser Test immer erfolgreich und gab ein antizyklisches Kaufsignal. 2001 und 2008 gelang dieses jedoch nicht. Und 2023? Es ist „Entscheiden Zeit!“ wie Ronan Keating immer so schön bei „The Voice of Germany“ zu sagen pflegt. Einigermaßen sicher erscheint mir auf jeden Fall eines: Diversifikation und gute Beratung wird uns auch dieses Mal über die Runden helfen und uns trotz allem gut schlafen lassen.

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Newsletter vom 1. November 2023

Carsten Brömstrup – Chefanalyst
Oldenburgische Landesbank AG

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