„De-Dollarization“ – gibt es bald eine echte Alternative zum US-Dollar?

Prof. Dr. Stefan May


Um sich von einer zu starken USA- und Dollar-Dominanz zu befreien, gibt es – initiiert von den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – Bestrebungen, eine eigenständige und durch Gold gedeckte BRICS-Währung als echte Alternative zum US-Dollar einzuführen.  

Vergleicht man die Wirtschaftsleistungen der BRICS-Staaten und der USA sowie der anderen großen Industrieländer, dann ist die Vorstellung einer eigenen Währung, zumindest was die Größenordnung anbelangt, durchaus nachvollziehbar, da die BRICS-Staaten in etwa den gleichen Anteil am Welt-Bruttoinlandsprodukt (Welt-BIP) haben wie die USA (vgl. nachfolgende Grafik).

Obwohl eine definitive Einschätzung der Erfolgschancen dieses Währungsprojektes aufgrund fehlender Detailinformationen derzeit (noch) nicht möglich ist, gibt es doch strategische Überlegungen, die erhebliche Zweifel begründen.

Heterogenität der Teilnehmer
Begriffe wie „BRICS“ oder „globaler Süden“ suggerieren eine Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit, die tatsächlich nicht vorliegt. Betrachtet man die entsprechenden Staaten etwas genauer, stellt man fest, dass sie sowohl gesellschaftspolitisch als auch rein ökonomisch sehr unterschiedlich sind. Eine weitgehende Übereinstimmung besteht lediglich hinsichtlich des „Feindbildes“ USA (oder „des Westens“), deren Dollar-Dominanz man unbedingt brechen müsse. Ansonsten ist es mit den Gemeinsamkeiten nicht allzu weit her. Russland führt derzeit einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, was vielen potenziellen Währungsteilnehmerländern nicht gefallen dürfte, auch wenn sie sich deshalb vom Westen nicht zu einer eindeutigen Positionierung gegen Russland zwingen lassen wollen. China und Indien wiederum – die zwei wirtschaftsstärksten BRICS-Staaten – stehen in der Kaschmir-Region sogar immer wieder kurz vor militärischen Zusammenstößen; Einheitlichkeit und Interessengleichklang sieht anders aus.

Aufgabe der eigenen Währung?
Ohne die Details der geplanten Währung zu kennen, glauben wir ausschließen zu können, dass die Teilnehmerländer ihre eigenen lokalen Währungen aufgeben werden, wie dies z. B. beim Euro der Fall war. Viel wahrscheinlicher ist eine Konstruktion, die dem Vorläufer des Euro gleicht, einer „künstlichen“ Korbwährung, dem sogenannten ECU („European Currency Unit“). Diesen hat man im Jahr 1999 zugunsten eines „echten“ Euros aufgegeben. Eine ähnliche Weiterentwicklung einer möglichen Korbwährung des globalen Südens hin zu einer „echten“ Gemeinschaftswährung halten wir aber aufgrund der erwähnten Heterogenität der Teilnehmerländer für höchst unwahrscheinlich. Nach unserer Überzeugung wäre aber genau das ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer BRICS-Währung. 

Dominanz Chinas in der BRICS-Runde
Der wichtigste Grund, warum die BRICS-Staaten den Plan einer eigenen Alternativwährung zum Dollar verfolgen, sind die USA. In den Augen vieler Länder ist Amerika die treibende Kraft des Westens. Einzelne europäische Länder, aber auch die sonstigen Länder der G7, werden mehr oder weniger als Vasallen der USA betrachtet. Es geht also vor allem darum, sich von der Dominanz der USA zu befreien. Tatsächlich haben die USA innerhalb der G7-Staaten aufgrund ihrer enormen Wirtschaftsleistung eine überragende Bedeutung, wie die folgende Grafik zeigt. 

Das Problem einer BRICS-Währung als Instrument der Emanzipation von den USA besteht aber darin, dass die wirtschaftliche Dominanz Chinas innerhalb der BRICS-Staaten sogar noch stärker ist, als die Vormachtstellung der USA innerhalb der G7-Staaten, was durch folgende Grafik belegt wird.

Jedes Mitglied einer BRICS-Währung würde also die US-Dominanz gegen eine China-Dominanz tauschen. Nach Abwägung aller Pros und Contras wird sich mancher Staat sehr gut überlegen, ob das wirklich eine so gute Idee ist.  

Auswirkungen auf die Kapitalmärkte
Was nun die möglichen Auswirkungen der skizzierten Bestrebungen auf den US-Dollar oder den Goldpreis (geplante Golddeckung!) anbelangt, so besteht nach unserer Überzeugung kein akuter Handlungsbedarf. Die US-Währung wurde in ihrer bisherigen Geschichte schon häufiger für tot erklärt und hat sich bis dato immer wieder als die stärkste globale Währung erwiesen. Ähnliche Szenarien gab es schon bei Einführung des Euros – der ja auch als alternative Reservewährung gepriesen wurde – und man kann nun nicht behaupten, dass der US-Dollar vom Euro verdrängt wurde oder schwächer geworden wäre (vgl. nachfolgender Chart seit Einführung des Euros als Buchgeld). Eine BRICS-Währung wird also – wenn sie denn überhaupt kommt – noch länger auf sich warten lassen.

Newsletter vom 17. August 2023

Prof. Dr. Stefan May – Leiter Anlagemanagement
Quirin Privatbank AG

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