Aktuelle Notenbankpolitik erhöht Volatilität

Dr. Klaus Bauknecht

Die geldpolitische Straffung in den USA kommt zu ihrem Ende, auch wenn eine finale Leitzinsanhebung auf 5,5 Prozent nicht auszuschließen ist. Noch mag sich der US-Arbeitsmarkt als robust erweisen, doch es gibt keine Zweifel: Die Folgen der restriktiven Geldpolitik werden sich in den kommenden Monaten in der Realwirtschaft mehr und mehr zeigen. So sollte sich die US-Konjunktur im weiteren Verlauf des Jahres 2023 spürbar abkühlen, eine technische Rezession ist durchaus möglich. Zudem könnte sich die Erholung hinziehen. Diese Entwicklung ist notwendig, um den Inflationsdruck entscheidend zu dämpfen. Dabei dürfte die Geldpolitik aufgrund der Probleme im US-Bankensektor sowie des Streits um die staatliche Schuldenobergrenze sogar an Effektivität gewonnen haben. Die Abkühlung könnte also deutlich ausgeprägter ausfallen, als es der eigentliche Zinsanstieg andeutet; immerhin erwarten die Finanzmärkte bereits in diesem Jahr erste Fed-Zinssenkungen. Dies würde bedeuten, dass die US-Notenbank mit ihren Zinsanhebungen übertrieben hat, was historisch eher Normalität als Ausnahme darstellt. Denn bis auf den Zeitraum 1995 bis 2001 hielt die Fed in den letzten 60 Jahren nie lange an ihrem jeweils höchsten Zinsniveau fest, sondern hat relativ schnell die Kehrtwende zur Gegensteuerung eingeleitet. In jüngster Zeit haben sicherlich auch Krisen dazu beigetragen.

Die aktuelle US-Geldpolitik ist deshalb ein weiteres Beispiel dafür, dass Notenbankpolitik nicht unbedingt ein Anker der Stabilität ist, sondern oftmals für erhöhte Volatilität sorgt. Auch war die Geldpolitik viele Jahre ausgesprochen expansiv ausgerichtet, was im Jahr 2021 infolge des kräftigen Inflationsanstiegs zu einer scharfen Gegensteuerung geführt hat. Dies gilt nicht nur für die Fed, sondern auch für die EZB. Der Einlagenzinssatz der EZB war 10 Jahre bei 0 Prozent oder negativ, bis die EZB ihn Mitte letzten Jahres erstmals wieder anhob. Inzwischen hat sie ihn in weniger als einem Jahr um 375 bp. erhöht, und ein EZB-Einlagenzins von mindestens 3,5 Prozent und sogar 4,0 Prozent ist nicht auszuschließen. Dennoch sollte auch die EZB in Kürze das Ende ihres aktuellen Straffungszyklus erreichen.

Die drastische Kehrtwende von Fed und EZB ist Folge einer eher reaktiven bzw. anfänglich zögerlichen geldpolitischen Reaktion auf das eskalierende Inflationsproblem. So stieg die Inflationsrate in den USA bereits seit Anfang 2021, die Fed hat allerdings erst im März 2022 reagiert, also rund ein Jahr später. Da lag die Inflationsrate allerdings bereits bei 8,5 Prozent! Der Gedanke, Preisschocks würden sich als einmalig herausstellen und damit zu keinen Zweitrundeneffekten führen, hat sich nicht bewahrheitet. Dies ist angesichts der damaligen expansiven Notenbankunterstützung bzw. Schieflage der geldpolitischen Ausrichtung nicht überraschend. Denn bereits Anfang 2021 hatte die US-Wirtschaft wieder ihr Vor-Coronakrisen-Niveau erreicht, und auch die Konjunktur der Euro-Zone zeigte eine V-Erholung, die bereits damals und auch ohne die eskalierende Inflation ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik benötigt hätte. Im Jahr 2022 entstand deshalb ein enormer Handlungsdruck für beide Notenbanken, dessen Folgen sich nun als Risikofaktor für Realwirtschaft, Banken und Finanzmärkte herausstellen. Eindeutig scheint allerdings: Die Inflation wird durch die Konjunktureintrübung spürbar sinken. Auch sind erste Zinssenkungen der Fed Ende des Jahres plausibel. Für die EZB, deren höchstes Zinsniveau unter dem der Fed liegen dürfte, ist dies jedoch erst im Jahr 2024 ein mögliches Thema.

Newsletter vom 31. Mai 2023

Dr. Klaus Bauknecht – Chefvolkswirt
IKB Deutsche Industriebank AG

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