Aktienmärkte: trister Oktober, guter Jahresausklang?
Vor allem bedingt durch die gestiegene Risikowahrnehmung in Folge des überraschenden Überfalls der Hamas auf Israel kam es im Oktober an den weltweiten Aktienmärkten zu Kursrückgängen. Besteht nun die Möglichkeit wieder ansteigender Notierungen in den letzten Wochen dieses Jahres?
Nach einer positiven Entwicklung in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 befinden sich die globalen Aktienmärkte seit Anfang August im Rückwärtsgang. Dabei beschleunigte sich der Abwärtstrend fast aller Indizes im Oktober, vor allem aufgrund des Angriffs der islamistischen Hamas auf Israel. Wie so oft in der Vergangenheit schalteten die Kapitalmärkte bei erhöhter geopolitischer Unsicherheit zunächst in den „Risk-Off-Modus“. Die wirtschaftlichen Folgen des Konflikts sind derzeit jedoch begrenzt. Der Ölpreis als wichtiger Seismograph für mögliche wirtschaftliche Verwerfungen hat sich trotz der Unruhen kaum bewegt, wichtige Transport- und Schifffahrtswege sind nicht blockiert und das wirtschaftliche Gewicht der Konfliktregion für die Weltwirtschaft ist gering. Solange der Iran nicht aktiv in den Konflikt involviert ist, dürften die Kapitalmärkte kaum auf neue Nachrichten aus der Region reagieren.
Wesentlich wichtiger für die Aktienmärkte sind fundamentale Einflussfaktoren, darunter vor allem Inflations- und Konjunkturdaten sowie daraus abgeleitet die Entwicklung der Zinsen und der Unternehmensgewinne. Die Inflationsraten sind von ihren Rekordständen vor rund einem Jahr deutlich zurückgegangen und haben sich inzwischen dem Inflationsziel der Notenbanken von 2 Prozent angenähert. In der Eurozone ist die Gesamtinflationsrate im Oktober auf 2,9 Prozent gesunken und hat damit erstmals seit August 2021 wieder eine Zwei vor dem Komma. Diese positive Entwicklung ist vor allem auf einen Basiseffekt bei den Energiepreisen zurückzuführen. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in den USA ab. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass weder die amerikanische Federal Reserve, noch die EZB ihre Leitzinsen weiter erhöhen werden. Und auch wenn beide Notenbanken derzeit betonen, dass es noch nicht an der Zeit sei, über Zinssenkungen zu sprechen, wird dieser Zeitpunkt kommen. Wahrscheinlich eher früher als später. Damit dürfte die Geldpolitik 2024 für die Aktien- und Rentenmärkte nicht mehr Gegenwind, sondern eher Rückenwind bringen.
Rückenwind kommt derzeit bereits von den Unternehmensgewinnen. Die Berichtssaison für das dritte Quartal läuft gut, auch wenn die Berichterstattung und vor allem die Kursreaktionen an der Börse einen anderen Eindruck vermitteln. Vor allem in den USA konnten erneut mehr Unternehmen als sonst die Gewinnerwartungen übertreffen. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Prognosen entgegen der sonstigen Gewohnheit im Vorfeld nicht gesenkt wurden und damit die zu überwindende Hürde höher lag als in den Vorquartalen. Auf Branchenebene waren es vor allem die Technologieunternehmen, die überwiegend sehr gute Zahlen vorlegten. In Europa verlief die Berichtssaison dagegen eher wie gewohnt mit weniger positiven Überraschungen. Dennoch mussten die Gewinnerwartungen nicht nach unten korrigiert werden, so dass die Ertragsprognosen für die kommenden 12 Monate sowohl für den DAX, als auch für den Euro Stoxx 50 nahezu auf Rekordniveaus liegen. Damit sind deutsche und europäische Aktien derzeit deutlich günstiger bewertet als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre.
Hinzu kommt, dass die schlechte Börsenstimmung darauf hindeutet, dass die meisten verkaufswilligen Investoren ihre Bestände bereits reduziert haben. Ein weiterer Ausverkauf ist daher unwahrscheinlich. Bei besseren Nachrichten dürften hingegen Positionen wieder aufgestockt werden. Auch wenn es an den Kapitalmärkten noch genug verbleibende Unsicherheitsfaktoren gibt, spricht doch fundamentale Betrachtung für ein versöhnliches Ende eines schwierigen Börsenjahres 2023.

Newsletter vom 15. November 2023
Martin Schilling – Leiter Geschäftsstelle Private Banking Hannover
M.M. Warburg & CO
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