Buy the rumor… sell the news

Monatlicher Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG

So sagt uns eine alte Börsen- und Binsenweisheit und will damit zum Ausdruck bringen, dass eigentlich kursbeeinflussende Nachrichten oft bereits im Vorfeld der Veröffentlichung eingepreist werden, da die Schwarmintelligenz des Marktes diese auch ohne Kenntnis vorwegnimmt. Nach der formalen Veröffentlichung schlägt der Markt dann oft einen Haken und entwickelt sich gegen die in der Aussage der Nachricht eigentlich implizierte Entwicklung.

Nun haben uns die Zentralbanken der USA und Europas mit im Vorfeld vieldiskutierten Zinsentscheidungen versorgt, die so allerdings im Vorfeld auch erwartet waren. Die Märkte reagierten ruhig, da sowohl die Zinserhöhungs- und Inflationsbekämpfungs-Falken als auch die geldpolitischen Tauben sich in diesen Entscheidungen wiederfinden konnten. Die EZB zog wie die FED „nur noch“ um 25 bp an und „bedient“ die Falken mit einer beschleunigten Verkürzung ihrer Bilanz. Sprich: mit dem Abbau der von der Zentralbank in den sogenannten Krisenzeiten aufgebauten Beständen an Anleihen.

Die FED dagegen ist mit einem wesentlich wackeligeren Bankensystem konfrontiert, als die öffentliche Gesundbeterei Glauben machen mag. Jeden Tag kommt eine weitere kleinere Bank an den Märkten unter die Räder – um nur zwei zu nennen: die Pacwest Bank mit 50 % minus oder die Western Alliance Bank minus 45 % (und im Jahresverlauf sogar mehr als 80 %).

Das Gift des Misstrauens frisst sich weiter ins System. Jedenfalls auf der anderen Seite des Teiches. Und das Ganze wird befeuert durch eine Situation, nach der wir diesen Standpunkt eigentlich benennen wollten.

„Alle Jahre wieder“… kam noch nie das Christuskind, sondern die drohende Insolvenz der USA. Frei nach dem von uns vor kurzem zitierten rheinischen Motto „et hätt noch immer jot jejange“ nimmt der Kapitalmarkt- und die Presse das derzeit noch wie „Business as usual“ zur Kenntnis. Das politische „Hasenfußrennen“ um eine Zahlungsunfähigkeit der USA wird durch die nahenden Wahlkämpfe diesmal sicher intensiver als gewohnt.

Wie ernst die Lage ist, unterstrich unter anderem die US-Finanzministerin, Janet Yellen, indem sie ausdrücklich vor einer wirtschaftlichen Katastrophe warnte, sollten sich das Weiße Haus und der Kongress nicht bald auf einen Kompromiss einigen. So würde eine Zahlungsunfähigkeit der USA die Kosten für eine Kreditaufnahme nachhaltig verteuern, was wiederum zur Verteuerung künftiger Investitionen führen und unter anderem die Kosten für Hypotheken, Autokredite oder Kreditkarten in die Höhe treiben würde. (Börsenzeitung)

Geht das diesmal komplett schief? Wir sagen nein, aber das Rennen zwischen Politikern, die das alles für ein großes Pokerspiel halten, wird diesmal bis über die Klippe gehen und die eine oder andere Verwerfung mit sich bringen.

Die Bondmärkte preisen das langsam ein. Sie stellen in Frage, dass die Falken noch weitere massive Zinsschritte durchsetzen können zu Lasten der Stabilität des Systems. Ob das aus geldpolitischer Sicht richtig wäre? Nein, sicher nicht. So schreiben die Falken der Börsenzeitung nicht zu Unrecht:

„Sorgen um die Finanzstabilität sind in jedem Fall kein schlagendes Argument gegen eine weitere Straffung. Erstens: Es ist ein Trugschluss zu glauben, der Verzicht auf eine Straffung sichere Finanzstabilität. Eine unkontrollierte Inflation wird auch zum Risiko für das Finanzsystem.“

Nur hatten wir in den Standpunkten „in die Falle getappt“ und „Auf Turkey“ bereits darauf hingewiesen, dass die exzessive Geldpolitik der Vorjahre ein monetaristisches Vorgehen nach den Regeln der „reinen Lehre“ nicht mehr realistisch ist:

„‚Es ist nun nicht so, dass wir keine Freunde der ja ausschließlich auf Geldwertstabilität ausgerichteten ehemaligen Bundesbankpolitik waren oder sind. Nur gibt es diese Welt in der Realität nicht mehr. Sie lebt nur noch in den Köpfen der Falken bei den Zentralbanken“

Und so wiederholen wir uns weiter mantraartig und zitieren uns besserwisserisch wieder selber aus dem Standpunkt „und es kam schlimmer“:

Nun möchten wir nicht in der Zwickmühle der Zentralbanken stecken. Die Kollateralschäden durch die Inflationsbekämpfung werden weiter zunehmen und insofern können weitere Zinsschritte nur noch mit Augenmaß vorgenommen werden. Denn sonst könnte es noch schlimmer kommen.

Unsere Prognose: Die neue 2 heißt 4.

Und das bezieht sich auf die mittelfristig zu tolerierenden Inflationsraten. Das wird ein schmaler Grat und niemand gibt es zu. Rhetorik, Rhetorik.

Und wir geben zu, es ist leicht am Spielfeldrand zu sitzen und die Protagonisten auf dem Platz zu kritisieren, ohne selbst Verantwortung zu tragen. Aber so ist das Geschäft des Kommentators.

Nur wo ist hier nun der „Rumor“ und was sind die „News“? Den „Rumor“ haben wir eben beschrieben. Die neue 2 heißt 4. Die Inflation ist so lästig wie Long Covid und doch wird sie auch aufgrund der nun historisch aggressiven Zinspolitik weiter langsam zurückgehen. Aber kurzfristig sicher nicht auf die 2 %, egal was die Falken uns mit ihrer Rhetorik einreiben wollen. Diese Rhetorik gehört zu ihrem Geschäft wie das „in Frage stellen“ zu unserem. Die Märkte fangen an, das zu spielen.

Im Immobilienmarkt sieht man trotz der Verwirrungen, die die Ampel hier anrichtet, erste Erholungen bei den Umsätzen. Vonovia, vor ein paar Wochen noch als Hochrisikokandidat gehandelt, konnte nun wesentliche Assetverkäufe umsetzen. Zwar knapp unter Buchwert und damit mit leichtem Verlust aber gerade in dieser Branche geht Liquidität vor. Denn es geht für die Gläubiger und in Folge auch für die Eigentümer um „Return of Equity“. Cash is King in der Krise.

Eine weitere Erholung können wir wahrnehmen:

„Baufi-Neugeschäft steigt im März um 27%!!! – Der Abwärtstrend in der privaten Baufinanzierung ist durchbrochen – und das ziemlich spektakulär: Laut gestern Nachmittag veröffentlichten Bundesbank-Daten, über die Finanz-Szene als erstes Medium berichtete, stieg das Neukreditvolumen im März auf 15,3 Mrd. Euro,“ berichtete u.a die Finanz-Szene.

Ist das der Turnaround? Wissen wir auch nicht. Bisher rumort es nur, dass der Markt hier mit dem Ende der Zinsspirale drehen könnte. Und wer daran glaubt, der kann sich ja bei den ausgebombten Aktien und noch vielmehr bei den ausgebombten ehemaligen Qualitätsanleihen aus der Branche noch traumhafte Renditen von bis zu 50 % und mehr sichern. Ja, derartige Renditen riechen nach „Junk“, aber manchmal lässt einfach nur die Kommunikation zu wünschen übrig. Oder massive Probleme mit Investoren, die eigentlich andere Produkte in ihrem Portfolio massiv unter Feuer haben, die aus der Notwendigkeit Liquidität zu beschaffen, möglicherweise Qualitätsanleihen verkaufen, um Liquidität zu halten. Cash is King in der Krise.

Alles „Rumor“. Kommen die News auf uns zu, dann wird der Markt das bereits vorab einpreisen. So weiss die Binsenweisheit auch, was dann zu tun ist. Oder „buy and hold“.

Denn noch ne Binsenweisheit ist:
No risk, no fun“.
Und somit nur für Leute mit einem festen Schlaf. Wir schlafen gut damit.
Just my 2 cents. Sorry!

Zu mwb:

Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.

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mwb Kapitalmarkt-Standpunkt

vom 17. Mai 2023
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