Europa stabilisiert die Weltwirtschaft – EZB weiter restriktiv

Carsten Mumm

Die erwartete Rezession im Winterhalbjahr wird in vielen europäischen Staaten nur milde oder sogar ganz ausfallen. Angesichts gut gefüllter Gaslager, weltweit nachgebender Rohstoffpreise und nachlassender Lieferkettenprobleme im Zuge der globalen wirtschaftlichen Abkühlung sowie zuletzt sinkender Inflationsraten haben sich sowohl die Unternehmens- als auch die Konsumentenstimmung stabilisiert. Gemäß ifo-Geschäftsklimaindex schätzen viele Unternehmen ihre aktuelle Lage zwar noch als sehr schwierig ein, schauen jedoch immer optimistischer auf die Geschäftserwartungen in den kommenden Monaten. Trotz sinkender Auftragseingänge sind viele derzeit noch mit der Abarbeitung von Auftragsstaus aus den vergangenen Monaten gut ausgelastet. Damit bleibt das Szenario einer wirtschaftlichen Erholung ab dem Frühjahr realistisch.

Vonseiten der Europäischen Zentralbank EZB ist in dieser Woche trotz nachlassenden Inflationsdrucks eine weitere Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte zu erwarten. Zu groß sind die Befürchtungen im EZB-Rat, die erhöhten Preissteigerungsraten könnten sich dauerhaft verfestigen. Im März dürfte dann zumindest noch ein weiterer Zinsschritt in gleicher Größenordnung erfolgen.

In den USA hingegen zeichnet sich immer deutlicher eine Rezession ab. So signalisiert der Leading Indicator der New York Fed analog der seit Monaten negativen Zinsstrukturkurve ein Schrumpfen der Wirtschaft in den kommenden Monaten. Vor allem wird der private Konsum durch die deutlich restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank Fed ausgebremst. Sie dürfte heute eine weitere Leitzinsanhebung um 25 und dann noch einmal im März um weitere 25 Basispunkte ankündigen.

Die chinesische Volkswirtschaft erlebt gerade einen massiven wirtschaftlichen Einbruch infolge der Corona-Infektionswelle. Nachdem Anfang März die Spitze der täglichen Neufallzahlen überschritten sein sollte, dürfte sich die Lage ab April jedoch schnell stabilisieren. Dann könnte China erneut zur Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft werden und die globale Nachfrage nach Rohstoffen, Vorleistungen und Transportdienstleistungen anschieben.

Entsprechend ist davon auszugehen, dass nach stärker fallenden Inflationsraten im ersten Halbjahr die Senkungsdynamik der Teuerung im zweiten Halbjahr nachlassen wird. Viele Notenbanken werden vor diesem Hintergrund die dann erreichten Leitzinsniveaus vorerst stabil halten. Heutige Hoffnungen auf Zinssenkungen dürften verfrüht sein.

Newsletter vom 01. Februar 2023

Carsten Mumm – Chefvolkswirt und
Leiter der Kapitalmarktanalyse
Privatbank Donner & Reuschel

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